Von Gert Dieter Meier.
Wir können es uns einfach machen. Auch beim Thema Klimawandel. Wir müssen uns nur entscheiden. Halten wir es eher mit Alice Weidel von der AfD, die noch immer Zweifel daran hat, dass der Klimawandel menschengemacht ist und deshalb auch gerne mal von Klimahysterie spricht. Oder folgen wir eher dem Journalisten und Autor Franz Alt, der schon im April 2018 den Klimawandel als Überlebensfrage der Menschheit eingestuft hat und behauptet: „Praktisch führen wir einen Dritten Weltkrieg gegen die Natur und damit gegen uns selbst, denn wir sind ein Teil der Natur“. Na klar, der gesunde Menschenverstand würde uns sogleich rückmelden „irgendwo dazwischen“…
Bürgerinnen und Bürger in Sorge
Aber es geht – auch – bei diesem Thema nicht nur um den gesunden Menschenverstand, sondern um Fakten. Und darum, wie wir sie bewerten. So hat eine Anfang November 2022 erhobene Forsa-Umfrage ergeben, dass sich mittlerweile 59 Prozent der Bürgerinnen und Bürger im Deutschland sorgen, dass sich der Klimawandel immer häufiger und stärker durch Naturkatastrophen auf den Alltag auswirkt. 53 Prozent sorgen sich davor, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine auf andere Länder übergreift oder sogar in einen Weltkrieg mündet. 52 Prozent sorgen sich demnach vor einer zu großen Belastung der eigenen finanziellen Lage durch zu hohe Kosten für Strom und Energie.
Will heißen: Das Thema Klimawandel ist endgültig in der Mitte der Gesellschaft angekommen und treibt die Menschen um. Die einen mehr, die anderen weniger. Und je klarer die Positionen werden, je lauter sie vorgetragen werden, desto stärker polarisiert das Thema in der Öffentlichkeit. Dürfen Klimaschützer sich auf Straßen festkleben und die Ordnung stören? Macht es Sinn, Kunstwerke mit Kartoffelpüree zu bewerfen? Sollen Wissenschaftler wie „Scientist Rebellion“ nicht mehr nur Fakten zum Diskurs liefern, sondern sich selbst auch politisch einmischen und aktiv Widerstand leisten, weil die Welt ihren Schlussfolgerungen nicht konsequent genug folgt?
Ordinäre Kriminelle?
Die Diskussion darüber tobt längst, was von alledem sinnvoll, rechtens oder vielleicht durch eine Art Notstand aus Sorge um die Welt gerechtfertigt sein könnte. Auch in den Medien füllt diese Debatte ganze Seiten oder Sendungen. BILD etwa lässt dabei den Anwalt und Kolumnisten Joachim Steinhöfel in seiner Kolumne von der Leine, um die Aktionen der „Letzten Generation“ einzuordnen. Und das tut er in aller Deutlichkeit: „Tatsächlich handelt es sich bei den Personen, die sich auf der Fahrbahn festkleben oder Kunstwerke besudeln um eine Bande von ordinären, selbstgerechten Kriminellen. Um einen professionell organisierten und mit Millionenspenden ausgestatteten Zusammenschluss von Berufsstraftätern“, schreibt der Mann, der auch schon die AfD-Spitze juristisch beraten hat. Und trifft damit sehr präzise den Ton, den etwa auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt anschlägt, wenn er vor dem Entstehen einer “Klima-RAF” warnt und den Staat zum entschlossenen Handeln aufruft. Während der Freistaat mit Aktivisten der „Letzten Generation“ ohnehin schon kurzen Prozess macht und sie in Präventivgewahrsam nimmt, um weitere Blockaden und Straftaten zu verhindern. 30 Tage Präventivhaft sind möglich, die auch nochmal um einen Monat verlängert werden können.
Die Menschen mitnehmen
Lassen wir mal die Frage dahingestellt, ob es diese Tonart oder derart drakonische Maßnahmen (TAZ: „Die bayerische Art“) braucht, Fakt ist, dass in einer Umfrage zuletzt rund 86 Prozent der Befragten fanden, dass die Aktivisten dem Anliegen des Klimaschutzes schaden würden mir ihren radikalen Maßnahmen. Will heißen: Auch die Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ müssen sehr genau überlegen, welchen Weg sie beschreiten wollen, um ihr berechtigtes Anliegen in die Köpfe der Menschen zu bringen anstatt sie zu verlieren.
Fragen, wie es weitergehen soll beim komplexen Thema Klimawandel, müssen sich freilich nicht nur die Medien und die Klimaaktivisten, sondern auch die Kommunen und die kommunalen Gremien. Denn das Thema betrifft uns alle. Gemeinderäte, Stadträte, Kreistage, Parteien, Gruppieren, Arbeitskreise, Senioren und Jugendliche, kleine und größere Unternehmen, Kirchen, Lehrer, Autofahrer, Hausbesitzer und Mieter.
Klimaschutz first?
Wie also ganz konkret damit umgehen? Sollten wir im Stadtrat beispielsweise soweit gehen wie die Stadtrats-Grünen, die sich etwa dafür einsetzen, dass Bayreutherinnen und Bayreuther innerhalb des Stadtkernrings nur noch alle zwei Tage mit dem Auto unterwegs sein dürfen? Sollten wir fordern, die Eiszeiten im Eisstadion so stark zu beschneiden, dass damit der Eishockeysport in Bayreuth zwangsweise zum Erliegen kommen müsste? Sollten wir die Daumenschrauben in noch viel mehr Bereichen anziehen? Nur noch vegetarische Gerichte in Kantinen, weil Fleischproduktion dem Klima schadet? Verbot der konventionellen Landwirtschaft, Klima-Maut in der Stadt, Tempolimit auf den Autobahnen, Photovoltaikpflicht auf Dächern, Flugverbote auf Kurzstrecken, schnellere Verkehrswende, kurzum: Klimaschutz first?
Ich persönlich halte eine Vorgehensweise, die vor allem auf Verbot und erhobene Zeigefinger setzt, für den schlechtesten aller Wege. Nach meiner Überzeugung sollten wir, auch auf der kommunalen Ebene, lieber Anreizsysteme schaffen, um die Menschen mitzunehmen. Also: Statt einer pauschalen Kampfansage an den Autoverkehr zu einer Zeit, da insbesondere die Menschen aus dem Umland ohne das Auto (noch) nicht überall ans Ziel kommen, lieber zuerst mal den Öffentlichen Personennahverkehr ausbauen, gleichzeitig Parke&Ride-Plätze in Umlandgemeinden schaffen, die an den Stadtverkehr angebunden werden müssen, die Taktung und die Infrastruktur von Bus und Bahn verbessern, die Stadt-Land-Verbindungen optimieren, den ÖPNV beschleunigen und durchaus da, wo es möglich ist, auch bevorrechtigen und dann an die Vernunft der Menschen appellieren, das Auto immer öfter stehen zu lassen.
Anreize schaffen
Gleichermaßen sollte Bayreuth aus meiner Sicht das Radwegenetz sukzessive ausbauen, um gerade in der Stadt, wo der Radverkehr besonders viel Sinn macht und Zeit spart, immer mehr Menschen fürs (gesunde) Radfahren zu begeistern. Jeder zusätzliche und sichere Radweg, das weiß man aus Erfahrung, wird dazu führen, dass er auch genutzt wird. Weshalb auch der Rückbau von Erlanger und Bismarckstraße für den Autoverkehr und die Anlage neuer und attraktiver Rad- und Fußwege zwar einerseits eine gewisse Verschlechterung für den Autoverkehr bedeuten mag, aber andererseits ein rechtes Anreizsystem für den sicheren Rad- und Fußverkehr mit sich bringen wird und obendrein eine Aufwertung des gesamten Quartiers bedeutet. Und darum geht es: Vernünftige Entscheidungen in Abwägungen zu fällen!
Denn eines muss uns allen klar sein: Es wird auch im Bereich Klimawandel kein Rundumsorglospaket geben, das alle erfreut und niemanden ärgert. Es geht immer auch darum, was man wem wann zumuten will. Und das ist – auch und vor allem – eine politische Diskussion.
Und ja: es gibt Zumutungen…
Ich persönlich hielte es für die Autofahrer durchaus für zumutbar, dass wir in den Städten (mit Ausnahme der Hauptverkehrsachsen) Tempo 30 verpflichtend einführen, dem Busverkehr da, wo es geht, Vorfahrt einräumen. Und auch den Radfahrern mal an einer Hauptroute/-kreuzung Vorfahrt einräumen und folglich die Autofahrer warten müssen. Ich halte im Übrigen auch ein Tempolimit auf Autobahnen für sinnvoll und vertretbar, wobei das nicht in den Zuständigkeitsbereich der Stadt fällt. Ich meine, dass die Stadt bei der Ausweisung neuer Baugebiete Photovoltaikanlagen verpflichtend vorschreiben sollte. Und ja: auch auf denkmalgeschützten Gebäuden und auf neuen Parkfläche sollten PV-Kacheln kein Tabu mehr darstellen, weil sich diese Maßnahmen rechnen und der Stadtgesellschaft insgesamt zugutekommen. Ich halte auch Anreize wie etwa die, die wir in Bayreuth mit der neuen Stellplatzsatzung auf den Weg gebracht haben, für sinnvoll: Dass Investoren, die eigene Mobilitätskonzepte entwickeln, weniger Stellplätze ausweisen müssen – was ihnen Geld und der Stadt Co2-Belastung erspart. Ich finde auch, dass die Stadt alles tun muss, um ihre eigenen Gebäude energetisch wirksam zu sanieren und schnell mit PV-Anlagen auszustatten.
Ohne Gesamtabwägung geht’s nicht
Der Schutz des Klimas, daran führt kein Weg vorbei, ist keine freiwillige Leistung, sondern eine Pflichtaufgabe, die uns zunehmend und überall fordern wird. Gleichwohl ist Klimaschutz nicht alles. Sondern immer auch in Abwägung mit allen übrigen Gesichtspunkten, die eine anstehende Entscheidung beeinflussen, zu treffen. So sieht das vermutlich auch die klare Mehrheit des Stadtrats Bayreuth. Und die entscheidet am Ende auch in jedem einzelnen Fall. Weshalb es auch zwangsnotwendig (und vernünftig) ist, für jede Einzelentscheidung, für jeden Vorschlag der Stadtverwaltung und aus den Reihen des Stadtrats und jede Idee zum Thema Klimaschutz, die realisiert werden soll, Mehrheiten zu finden. Ungeachtet der Tatsache, dass der Stadtrat mit der Verabschiedung seines – wie ich finde – ambitionierten Klimaschutzkonzeptes und dem dahinterstehenden Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden in den Bereichen, die die Stadt selbst beeinflussen kann, eine klare Zielrichtung vorgegeben hat. An diesem Ziel wird er sich insgesamt und wird sich jede einzelne Stadträtin und jeder einzelne Stadtrat messen lassen müssen.
Freilich dürfen sich auch die Bürgerinnen und Bürger nicht einfach zurücklehnen und auf die Position zurückziehen „lass die mal machen“. Klimaschutz geht nicht ohne die Bevölkerung. Weil ein Großteil der Dinge, die Auswirkungen auf das Klima haben, in den Verantwortungsbereich der Bürgerinnen und Bürger fallen. Denn sie entscheiden, ganz allein und rund um die Uhr, zwischen Vernunft und Unvernunft. Im Autoverkehr, in Beruf und Freizeit. Durch ihr Einkaufs- und Wegwerfverhalten, durch ihre Art des Kochens, indem sie darüber nachdenken, wie lange man das Licht brennen lässt oder heizt, während die Balkontür offensteht. Oder ob man in der Silvesternacht Böller zündet.
Und wie halten wir’s mit dem Bällern?
Feuerwerke sind zwar ein schöner Brauch. Und es sieht in der Tat toll aus, wenn der Nachthimmel sozusagen in Flammen steht. Aber Feuerwerke haben auch ihre Tücken. Weil Feuerwerksteile historische Gebäude schädigen und/oder Menschen, die in größeren Ansammlungen feiern, verletzen können. Vor allem aber ist jedes Feuerwerk eine Belastung der Umwelt. Nach Angaben des Umweltbundesamtes werden jährlich rund 2.050 Tonnen Feinstaub durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern freigesetzt – der größte Teil davon in der Silvesternacht. Diese Menge entspricht in etwa einem Prozent der insgesamt freigesetzten Feinstaubmenge in Deutschland. Die Auswertungen der Luftdaten belege, dass am ersten Tag des neuen Jahres die Luftbelastung mit gesundheitsgefährdendem Feinstaub vielerorts so hoch ist, wie sonst im ganzen Jahr nicht. Vor diesem Hintergrund würde ich persönlich mich – unter Abwägung aller verschiedener Aspekte – weiter für ein eingeschränktes Feuerwerksverbot zum Jahreswechsel aussprechen, zumindest in der Innenstadt. Weil es nicht nur gut ist für den Klimaschutz, sondern auch wertvolle Bausubstanz schützt und Verletzungen vorbeugt.
Debatten statt Polemik
Aber auch darüber kann man trefflich streiten. Und das sollten wir. Immer öfter. Nur bitteschön ohne persönliche Anfeindungen oder Schläge unter die Gürtellinie. Weil es nicht um eigene Befindlichkeiten geht, sondern buchstäblich um die Rettung der Welt. Und die braucht keine billige Polemik, sondern ernsthafte Debatten.
Schreiben Sie mir gerne, was Sie zum Thema Klimawandel denken und welche Schritte der Stadtrat gehen sollte, um die Menschen zu verantwortlichem Handeln zu bewegen. Meine Mailadresse: gdmeier@web.de