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Die Bayreuth-Debatte: AfD ­– und nun?

Die AfD ist für jeden aufrechten Demokraten ein Brechmittel. Weil sie die Grenzen nicht nur des guten Geschmacks oft und gerne überschreitet, weil sie demokratische Grundübereinkünfte über Bord wirft und sich mit der Draufsicht auf unsere deutsche Vergangenheit extrem schwertut. Die Höckes, Gaulands und Kalbitz‘ bedienen sich, sehr bewusst, einer verräterischen Sprache und häufig unsäglicher Vergleiche. Und fordern so unsere Gesellschaft ein ums andere Mal heraus. Eine Bewährungsprobe der unangenehmen Art.

Im Unterschied zu rechten und extrem rechten Gruppierungen früherer Jahre agiert die AfD aber zwischenzeitlich leider clever. Sie macht sich häufig zum Sprachrohr all derer, die sich benachteiligt, bedroht, ungerecht behandelt fühlen. Denen es nicht schnell genug geht, die es einfach mögen. Die AfD agiert lautstark und mit klaren Feindbildern, aber ohne ausgewogene Lösungen. Man bejaht zwar das Recht auf Asyl, poltert aber offen gegen eine gesellschaftliche Überfremdung. Und, scheinbar ganz nebenbei, aber doch sehr gezielt, wird dann der Nationalsozialismus auch schon mal als „Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ verharmlost. Widerwärtig!

Die große Frage bleibt: Wie begegnet man nun dieser AfD, zum Beispiel im Bayreuther Stadtrat? Immerhin hat diese Partei bei den Kommunalwahlen 44.367 Stimmen erhalten, was 3,9 Prozent oder zwei Mandaten entspricht. Und es waren wohl nicht nur stramme Nazis, die diese Partei gewählt haben. So viele Nazis nämlich gibt es gar nicht (mehr) in Bayreuth. Nein, die AfD hat, so schwer das zu verstehen ist, den rechten Rand ein stückweit verlassen und dringt in die Mitte vor. Und bringt sich selbst gerne in eine für alle Demokraten extrem unangenehme Rolle – die des Züngleins an der Waage.

Das kann den demokratischen Parteien, das kann uns allen nicht schmecken. Weshalb sie und wir häufig reflexartig zum Widerstand aufrufen, wenn AfDler mal wieder, mit einem Grinsen im Gesicht, Grenzen überschreiten, um wenig später Tabubrüche sogleich zu relativieren. Gegen diese Partei aufzustehen, ist verständlich. Ist nachvollziehbar. Und es ist auch erforderlich, dass man sich mit dieser Partei der Vereinfachung mit Argumenten auseinander- und damit zur Wehr setzt. Allerdings muss man aufpassen, dass man der AfD bei aller verständlicher  Emotionalität mit einer ungeschickten Vorgehensweise nicht in die Falle geht. Und sie den Widerstand so womöglich sogar nutzen kann, um sich selbst in eine Opferrolle zu rücken – und daraus politisches Kapital zu schlagen.

So hat der neue Stadtrat in seiner konstituierenden Sitzung keine zwei Jahre nach der letzten Änderung schon wieder seine Geschäftsordnung (teilweise) geändert. Mit dem Ergebnis, dass die AfD nun dank der neuen Geschäftsordnung in keinem der Arbeitsausschüsse mehr vertreten ist. Das mag man als Erfolg feiern. Die Retourkutsche freilich kam prompt. Ausgerechnet die AfD nannte dieses Vorgehen nach der Sitzung in einer Pressemitteilung einen „undemokratischen Ausschluss der AfD aus allen Stadtratsausschüssen durch passgenaue Manipulation der Geschäftsordnung“. Was natürlich sachlich falsch ist, weil die Kombination mehrerer Verfahren zur Besetzung von Ausschüssen gesetzlich ausdrücklich erlaubt und durch die mehrheitliche Entscheidung im Stadtrat auch legitimiert ist. Das freilich scheint die AfD kaum zu kümmern. Sie geißelt am Ende die Mehrheitsentscheidung erwartungsgemäß als undemokratisch. Und das, nur das, wird bei den AfD-Wählern hängenbleiben.

Mein Fazit: Es ist richtig und wichtig, die AfD zu bekämpfen. Aber nicht durch –­ wohlgemerkt: gesetzlich zulässige – Geschäftsordnungstricks, sondern inhaltlich. Geschichtsklitterung muss enttarnt, Falschaussagen müssen offengelegt werden. Antidemokratische Verhaltensweisen müssen gerügt, Grenzüberschreitungen benannt und genau dokumentiert werden. Klare Kante gegen Extremismus jeder Art – das sind wir unserer Stadt schuldig. Bayreuth ist eine weltoffene, eine internationale Kultur- und Festspielstadt. Und muss es bleiben.

Gleichzeitig sollten wir alle uns davor hüten, dieser Partei in der öffentlichen Debatte zu viel Bedeutung beizumessen. Indem wir die AfD in die Ecke stellen, ausgrenzen, indem wir immer nur über sie reden anstatt sie herauszufordern, indem wir sie allzu wichtig nehmen, werten wir sie schließlich auch auf. Ein Beispiel dafür? Die neue Grünen-Fraktionschefin Sabine Steininger lehnte nach einer knappen Wahl sogar das Amt der 3. Bürgermeisterin ab, weil sie nicht ausschließen konnte, dass es am Ende ausgerechnet die beiden AfD-Stimmen gewesen sein könnten, die ihr in das neue Amt geholfen haben. Sie tat das, weil sie sich an einen Grundsatzbeschluss der Grünen gebunden fühlte. Das ist ehrenwert, nachvollziehbar und brachte ihr sogar bayernweite mediale Aufmerksamkeit. Gleichwohl ist es, nach meiner Meinung, der falsche Weg. Weil das der Partei, die in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird, ein Gewicht gibt, das sie nicht verdient. Die Rechtsnationalen werden den Rückzieher Steiningers als ersten Erfolg im Stadtrat verbuchen: Sie haben einen Punktsieg über die Demokratie errungen. Und das allein durch die Abgabe von zwei Stimmen geschafft (die vermutlich noch nicht mal den Grünen galten).

Man mag sich gar nicht vorstellen, wenn dieses Beispiel Schule machte und fortan jede Entscheidung auf diese Weise auf den AfD-Prüfstand gestellt und bei jeder Abstimmung auf die AfD geschielt werden würde. Nein, das kann und darf nicht sein. Im Stadtrat geht es um souveräne, frei gefasste demokratische Mehrheitsentscheidungen, an denen die AfD wie auch jede andere Gruppierung mitwirkt. Und diese Mehrheitsentscheidungen gilt es, frei von irgendwelchen Rechenexempeln und bangen Blicken zum rechten Rand, konsequent und selbstbewusst umzusetzen.

Die Konsequenz dieser Haltung der Grünen und damit auch ihres AfD-Rückziehers ist nun, dass fortan eine „reine Männerriege“ die Stadt repräsentiert. Frauen tragen in den kommenden sechs Jahren keine Amtskette. Was auch umgehend in den sozialen Medien gerügt wurde. Dabei ist das den Grünen und ihrer aus eigener Sicht konsequenten Haltung geschuldet. Was also bleibt? Die Grünen werden sich ärgern, die AfD wird sich genüsslich die Hände reiben. Und viele Bürgerinnen und Bürger werden sich fragen, was das alles soll. Drum: Setzen wir uns mit der AfD inhaltlich auseinander. Aber geben wir ihr keinen Sonderstatus mehr. Den haben diese Brandstifter nun wirklich nicht verdient.

Zur Person
Gert-Dieter Meier (64) ist seit mehr als 35 Jahren Journalist ­– vor allem im Bereich Kommunalpolitik und Kultur – unterwegs. Seit 1. Mai gehört er als Unabhängiger dem Bayreuther Stadtrat an. Für Bayreuth 4U beleuchtet Meier in seiner monatlichen Kolumne das Geschehen in Bayreuth.

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