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Ein Aus für den Klimaentscheid darf die Klimadebatte nicht beenden

Plädoyer für eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Klimaaktivisten und Stadtpolitik

Da haben wir den Salat. Schon wieder droht Ungemach am Horizont. Schon wieder schicken sich junge Leute und solche, die voller Sorge an die Welt von morgen denken, an, Politik zu machen. Ohne Mandat, aber mit großer Wucht und Leidenschaft. Nach dem Radentscheid geht es nun  – natürlich – ums Klima. Es geht um die Zukunft unserer Welt. Es geht darum, nicht irgendwann, sondern jetzt, spätestens jetzt, zu handeln. Damit auch die nächsten Generationen noch gut leben können. Damit die Welt nicht untergeht. Nur mal kurz die Welt retten… 

Bayreuth, 74.000 Einwohner. Weltstadt auf Zeit, sagen die einen, Provinznest, ätzen andere und ergänzen zynisch: „Viel Natur, wenig los.“ Würde man die Bayreuther selbst fragen, wie  ihnen das Leben in ihrer Heimatstadt gefällt, würden diese vermutlich kurz und knapp antworten „bassd scho!“, was übertragen in eine allgemeingültige Skala der Gefühlsbeschreibung nicht etwa bedeuten würde „naja, geht so“, sondern: “sensationell gut!“.

Von wegen „bassd scho“

Bassd scho, Bareid? Von wegen! Denn auch die Menschen der Stadt Bayreuth kommen um die Tatsache nicht herum, dass der Klimawandel natürlich auch Oberfranken betrifft und natürlich auch wir zum Handeln gezwungen sind – zum raschen Handeln sogar. Das Dilemma bei alledem: Die, die das laut hinausschreien, werden von denen, die das nicht wahrhaben wollen oder akzeptieren können, verlacht und bestenfalls als Spinner abgetan. Klimaaktivisten rangieren in der Beliebtheitsskala der älteren Menschen deshalb ungefähr dort, wo auch Versicherungsvertreter, Journalisten oder eben Politiker stehen – ganz weit unten. Warum das so ist? Weil sie laut, forsch und kompromisslos sind. Weil sie immer nur Forderung stellen. Und weil sie uns das Leben schwer machen. Und jetzt wollen diese Weltverbesserer uns auch noch einen Klimaentscheid aufs Auge drücken. Sie wollen und zwingen, endlich Farbe zu bekennen bei diesem überlebenswichtigen Thema, dessen Auswirkungen am Ende vor allem sie selbst auszubaden haben. Ist das also verwerflich, wenn diese jungen Leute ungeduldiger, leidenschaftlicher, ernster und kompromissloser sind? Natürlich nicht. 

Quorum erreicht

Und deshalb ist es auch völlig in Ordnung und sogar richtig, wenn die Bayreuther Klimaaktivisten, von denen einige auch schon als Baumhausaktivisten in Erscheinung getreten sind, Unterschriften gesammelt haben, um das Thema Klimawandel endlich auf die politische Agenda zu hieven. Unterschriften in dieser großen Zahl zusammenzubekommen ist kein leichtes Unterfangen, denn es müssen sich mindestens sechs Prozent der in Bayreuth registrierten Abstimmungsberechtigen per Unterschrift für einen Klimaentscheid aussprechen. Es brauchte also 3451 Unterschriften; tatsächlich hat die Initiative Klimaentscheid Bayreuth dem Bayreuther Oberbürgermeister 1066 Unterschriftslisten mit 5239 Unterschriften übergeben. Und auch wenn nach Prüfung 1737 Unterschriften ungültig waren, das 6-Prozent-Quorum wurde doch mit 3502 gültigen Unterschriften knapp erreicht. Damit ist das Bürgerbegehren “Klimaentscheid Bayreuth“ formell zulässig. 

Viel kniffliger ist die Frage der materiellen Zulässigkeit. Aber auch da hat die Stadtverwaltung eine eindeutige Haltung: Das Bürgerbegehren sei aus formaljuristischer Sicht nicht zulässig und dürfe daher auch nicht umgesetzt werden. Knackpunkt aus Sicht der Verwaltung: So, wie es das Bürgerbegehren formuliert, würden dem Stadtrat schon heute Bindungen für eine Vielzahlt künftiger Entscheidungen auferlegt, die längst nicht alle in ihrer Dimension konkret überschaubar sind – weder für den Stadtrat, noch für die Bürger. Also: Unzulässig.

Eine Überforderung für die Kommune

Ich kann diese Sichtweise gut nachvollziehen. Vor allem dann, wenn man sich die Konsequenzen vor Augen hält, die ein solcher Zukunftsplan konkret für Bayreuth hätte. Wer wissen mag, was es bedeuten würde, den „Klimastadtplan Bayreuth“ eins zu eins umzusetzen, der braucht sich das Papier aus der Feder des Vereins German Zero e. V., der in Hamburg sitzt, aber die ganze Republik beglückt mit wissenschaftlich durchaus fundierten Klimafahrplänen, nur durchzulesen. Um bis ins Jahr 2030 543,342 Tonnen CO2 einzusparen, müsse die Stadt einen kommunalen Anteil an lokalen Investitionen in Höhe von 767 Millionen Euro aufbringen und 1411 Menschen anstellen oder beauftragen. Und die Nutzen? Durch die so angestoßenen und umgesetzten Investitionen in der Größenordnung 4.953 Millionen Euro würden 4.311 Millionen Euro an Klimaschadenskosten vermieden, die dann anfallen, wenn man jetzt nicht handele.

Das sind gigantische Zahlen. Zahlen, die viele überzeugen mögen, die aber meines Erachtens die Handlungsfähigkeit der Stadt bei weitem übersteigen. Anders ausgedrückt: Wollte man das Gesamtpaket in der Konsequenz des Klimafahrplans umsetzen bis 2030, dürfte die Stadt nichts anderes mehr machen als Klimaschutz bzw. Klimawandel. Und selbst dann würde sie das Vorhaben überfordern. Also müssten Bund und Länder massiv zubuttern. Und die Signale dafür sind aktuell noch nicht auszumachen. Vor diesem Hintergrund kann der Stadtrat meines Erachtens gar nicht anders, als mehrheitlich diesen Zukunftsfahrplan abzulehnen. Zumal er sich vor kurzem erst auf die Fahnen geschrieben hat, die Stadt Bayreuth bis 2040 (also zehn Jahre später als es German Zero fordert – klimaneutral zu machen; wohl wissend, dass auch dieses Ziel nur erreicht werden kann durch massives Umdenken und entschlossenes Handeln vor Ort.

Eine Ablehnung des Klimaenscheides in Bayreuth würde natürlich für die Klimaaktivisten von Fridays for Future und die ihnen inhaltlich verbundenen Scientists for Future als herber Rückschlag empfunden werden. Und doch beinhaltet sie auch eine Chance – dann nämlich, wenn Stadtrat und Stadtverwaltung sich selbst verpflichten, den Klimafahrplan nach Ablehnung nicht in den Schubladen der Ewigkeit zu vergraben, sondern ihn verstehen als Leitfaden, als grobe Richtschnur für die nahe Zukunft. Die Chancen dafür stehen, bei aller Unterschiedlichkeit bezüglich Geschwindigkeit und Prioritäten, durchaus gut. Denn anders als die Klimaaktivisten wohl mehrheitlich befürchten gibt es auch in der Verwaltung und im Stadtrat durchaus eine gewachsene Aufgeschlossenheit und eine große Ernsthaftigkeit bezogen auf die Notwendigkeiten zur Reduzierung der CO2-Belastungen. Nimmt man diese zum Maßstab des Handelns, berücksichtigt man ferner, dass die gewählten Mitglieder des Stadtrats immer und unbedingt gehalten sind, das Gesamtwohl der Bürgerinnen und Bürger im Auge zu bewahren und alle Aspekte, die eine Stadt betreffen, abzuwägen, dann ist das eine gute Basis, um sich heute effektiv um das Morgen zu kümmern. Eine Erkenntnis, die übrigens schon der „grüne Heilige“ Franz von Assisi im Mittelalter beherzigt hat, indem er sagte: „Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche.“ 

Von Gert Dieter Meier

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