Suche
Close this search box.

Farbe bekennen: Fiddler’s Green im Interview

Die Erlanger Speed-Folk-Band Fiddler‘s Green gilt als einer der besten Live-Acts des Landes. Vor ihrem Konzert im ZENTRUM am 15. November sprachen wir mit Geiger Tobi Heindl über ihre fast 30-jährige Karriere, ihr neues Album „Heyday“ und die Pflicht, sich auch politisch zu Wort zu melden.

bayreuth4U: Am 15. November stattet ihr zum zweiten Mal in diesem Jahr Bayreuth einen Besuch ab, nachdem ihr bereits im März zur Album-Premiere von „Heyday“ einen von nur vier kleinen Release-Gigs im „Dubliner“ gespielt habt. Ist euch die Stadt ans Herz gewachsen?

Tobi: Aber sicher doch! Bayreuth ist immer eine Reise wert. Zudem sind die Konzerte im ZENTRUM stets ein Heidenspaß und es wäre eine große Schande, nicht wieder zu kommen. Im Dubliner war’s wirklich intim, aber wir haben die Nähe zu den Fans sehr genossen, die uns beim Spielen regelrecht auf die Finger schauen konnten. Im November wird’s wieder eine Nummer größer und wir können das große Besteck auspacken. Auch geil!

bayreuth4U: „Heyday“ ist bereits euer 14. Album, seit 2006 spielt ihr in gleicher Besetzung. Woher holt ihr euch nach so langer Zeit neue Ideen?

Tobi: Wenn man so wie wir die Hälfte seines Lebens unterwegs ist und ständig Menschen um sich hat, bleibt es nicht aus, Geschichten zu erleben oder Bekanntschaften zu machen, die einen nachhaltig inspirieren. Als Musiker lebt man eh in einer kreativen Blase, in der Alltägliches oder Banales zum künstlerischen Eisprung werden kann – leere Kühlschränke zum Beispiel oder ein kaputtes Auto. Hinzu kommt, dass wir als Team mittlerweile ganz gut eingespielt sind. Nachdem man sich die kreativen Hörner der eigenen Selbstüberschätzung abgestoßen hat, erkennt man die eigenen Schwächen und Stärken und die des Anderen umso besser und kann so effektiv zusammenarbeiten.

bayreuth4U: Musikalisch setzt ihr schon länger verstärkt auf Eigenkompositionen statt auf „Speed“-Versionen irischer Traditionals. Wie viel Irland steckt noch in Fiddler’s Green?

Tobi: Wir überlegen nicht mehr zwanghaft einen irischen Song schreiben zu müssen. Das, denke ich, ist über die Jahre zu unserer DNA geworden. Wir
schreiben Lieder, auf die wir Lust haben. Die Zutaten sind vorhanden! Was hinten dabei rauskommt sind wir. Und natürlich fühlt es sich oftmals besser an einen eigenen Song zu schreiben, als traditionelles irisches Liedgut zu verbraten. Das sollen andere machen. Wir haben uns noch nie als irische Gassenhauer-Band gesehen. Da waren und sind unsere Ansprüche wohl differenzierter. Und wenn du die Dinge tief in dir trägst, müssen diese nicht ständig zwanghaft zur Schau gestellt werden. Einer meiner Lieblingssätze ist zum Beispiel: „Sei nicht irischer als die Iren“. Die Lebensfreude irischer Musik schlummert in uns allen. Man muss nur wissen, wie man sie weckt. Dafür muss ich auch nicht zwanghaft nach Irland reisen. Wobei ich gern mal wieder auf der grünen Insel wäre! Wenn es die Zeit erlauben würde.

bayreuth4U: Einer der beliebtesten Songs der letzten Tour war das kultverdächtige „John Kanaka“, versehen mit einer Bar-Choreographie. Wie kam es zu der Idee und spielt ihr ihn weiter live?

Tobi: Wir haben den Song im Programm, spielen ihn allerdings in einer anderen Version. Die Idee ihn zunächst als Cup-Song zu performen hatten wir vor unserer letzten Unplugged-Tour. Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Showelementen und versuchen diese in unsere Konzerte einzubinden. Die Idee auf einer Bar zu bechern war dann der logisch konsequente Schritt für uns. Und Bechern können wir eh ganz gut! Dazu muss man, wie gesagt, kein Ire sein.

bayreuth4U: Mit „No Anthem“ findet sich auch ein klar politischer Song auf dem Album. Wolltet ihr in Zeiten von Populismus und Nationalismus  ein Zeichen setzen?

Tobi: Ja! Wir leben leider wieder einmal in Zeiten, in denen man öffentlich Stellung beziehen muss, um zu zeigen auf welcher Seite man steht. Wir erhoffen uns natürlich dabei einen gewissen Vorbildeffekt zu haben. Kunst und Kultur sollte da durchaus Farbe bekennen. Auch wenn sie, so wie wir, die Leute überwiegend vom Alltag positiv ablenken möchte. Aus diesem Grund arbeiten wir auch mit Greenpeace zusammen. Eine gute Sache ist einfach eine gute Sache …

bayreuth4U: Ihr wart Anfang Oktober zum zweiten Mal auf Tour in Japan. Wie kam es dazu?

Tobi: Wir haben schon lange ein japanisches Label, das unsere CDs dort vertreibt. Das braucht man, um potentielle Fans und Konzertagenturen auf sich aufmerksam zu machen. Beides scheint wohl recht gut geklappt zu haben und somit werden wir jetzt bereits regelmäßig nach Japan eingeladen. Auf unserer letzten Tour waren wir sogar Headliner. Mit keiner geringeren Vorband als den großen In Extremo. Was ein Spaß!

bayreuth4U: Gibt es noch ein anderes Land, in dem ihr gerne spielen würdet?

Tobi: Persönlich würde ich gerne mal in Boston spielen, der Heimatstadt der Dropkick Murphys. Ich denke, die Leute würden es lieben. Tatsächlich sind wir gerade dabei eine erste zarte Bande in die USA zu knüpfen. Hoffentlich tut sich was.

bayreuth4U: 2020 steht euer 30-jähriges Bandjubiläum ins Haus. Worauf können sich Fans freuen und was sind eure Ziele für die nächsten 30 Jahre?

Tobi: Im Frühjahr gibt es eine Unplugged-Tour, im Sommer die Festivals inklusive unserem Shamrock-Castle Open Air am 10. und 11. Juli. Und im Herbst die große Jubiläums Tour. Wir werden davor nochmal das Tonstudio besuchen, um dem Jubeljahr gebührend eine EP aufzunehmen. Es sollte also für jeden etwas dabei sein! Über die nächsten 30 Jahre sprechen wir dann nach der Feier.

Fiddler‘s Green kommen am 15.11. ins ZENTRUM. Support ist die deutsch-spanische Band Malasañers mit Waste-Drummer Tom Stapelfeld am Schlagwerk. Tickets gibt‘s an allen VVK-Stellen und unter www.motion-ticket.de.

Ähnliche Beiträge

Zu den Wurzeln

Für einige sind die Nachwirkungen der Pandemie noch immer spürbar. Für Musiker Mellow Mark insofern, dass der Echo-Gewinner seitdem nebenbei als Sanitäter arbeitet. Am 8. März kehrt der gebürtige Bayreuther

» weiterlesen

New Wave Shizzle

Zwar gehören die Jungs von Saving Eddy noch zur jüngeren Garde im Jazzuniversum, in den Kinderschuhen steckt ihre Musik aber lange nicht mehr. „New wave shizzle aus old wave Weimar“

» weiterlesen

Schmerzbefreit

Einfach konsequent an sämtlichen Erwartungen vorbeiackern, so lautet das Credo von Jan Frisch, der sich mit seinem Projekt Aua Aua an die experimentelle Songwriterkunst wagt. Ein bisschen Krautrock hier, ein

» weiterlesen