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Wandel tut der (Innen-)Stadt gut

Bayreuth will die höchst unterschiedlichen Ideen und Hoffnungen, die es für die Innenstadt gibt, auf einen Nenner zu bringen. Das ist ein guter Plan!

Von Gert Dieter Meier

Bayreuth, sagen die einen, ist einzigartig. Kulturstadt. Universitätsstadt. Einkaufsstadt. Sportstadt. Grüne Stadt. Lebenswerte Stadt. Sichere Stadt. Stadt der kurzen Wege. Stadt, in der man sich das Leben/das Wohnen (noch) leisten kann. Mehrgenerationenstadt. Und so weiter.

Stimmt nicht, sagen die anderen. Sie versichern, dass Bayreuth eine stinknormale Stadt sei, die sich in der Mehrzahl ihre Probleme kaum von anderen Kommunen unter 100.000 Einwohnern unterscheide – gleichgültig, ob man nun in Richtung Norden, Süden, Osten oder Westen blicke. Es gibt, hier wie dort, fortgesetzte Konflikte im Bereich Mobilität (Radverkehr versus Autofahrerinteressen, beide gegen Fußgänger), es gibt die üblichen Konflikte zwischen den Bereichen Wohnen/Freizeit/Handel, den Sieg des Kommerzgedankens über die Kreativität, viele Angebote für ältere Menschen, aber leider herzlich wenig Freiraum für junge und jung Gebliebene. Wohnen werde immer teurer. Und nicht wenige raunen: Es werde auch immer eintöniger (und heißer) in unseren Städten. Was womöglich eine Erklärung dafür sein könnte, dass es viel zu wenige junge Menschen und kreative Köpfe in den Klein- und Mittelstädten hält. Zumal man immer mehr Jobs auch im Homeoffice oder aus dem Tiny House im Grünen erledigen kann.

Zeit für ein Umdenken

Höchste Zeit also, dass sich Bayreuth Gedanken macht, was diese Stadt ausmacht. Und in welche Richtung sie sich im Bereich Innenstadt entwickeln will. Angestoßen wurde dieser Prozess, der im Übrigen uns alle betrifft und also interessieren sollte, von der Stadtverwaltung und dem Stadtrat (ich habe bereits im April in dieser Kolumne darüber berichtet, wie man hier nachlesen kann https://www.bayreuth4u.de/mitmachen-beim-projekt-innenstadt/ ). Vorausgegangen sind diesem Strategieprozess Überlegungen zu Sanierungsgebieten und bei Projekten der Sozialen Stadt, bei denen es in erster Linie darum geht, „Stadtquartiere als Wohn- und Arbeitsort attraktiv zu halten, wirtschaftliche Strukturen zu sichern und Entwicklungsperspektiven für Bürger und Gewerbetreibende aufzuzeigen“, wie es auf der Homepage der Stadt heißt. Dazu wurde auch ein Quartiersmanagement installiert – treibende Kraft ist hier Ulrike Färber.

Einige machen mit, viele schauen zu

Zwischenzeitlich ist das mehrgleisige und -stufige Projekt abermals ein gutes Stück vorangekommen. Mit finanzieller Unterstützung durch den Sonderfonds „Innenstädte beleben“ des Bayerischen Bauministeriums und unter Federführung des Stadtplanungsbüros Stadt + Handel ist im Frühjahr ein Strategieprozess gestartet worden mit dem Ziel, die „DNA der Bayreuther Innenstadt“ zu entdecken und darauf aufbauend die Zukunft dieser Stadt neu zu denken und zu planen. Und man nähert sich jetzt, nach mehreren Treffen, Seminaren und Erkundungen den womöglich entscheidenden Fragestellungen. Positiv herausstellen sollte man in diesem Zusammenhang, dass sich eine große Zahl höchst unterschiedlicher Akteure für diese Aufgabe interessiert und sich Gedanken macht für die Allgemeinheit. Die große Frage wird aber sein, ob und wie die hier entwickelten Ansichten und Konzepte der Gesamtheit der Bevölkerung und auch dem Bayreuther Stadtrat, der dieses Konzept am Ende befürworten oder verwerfen muss, schmecken werden. 

Es wird Konflikte geben, das steht fest

Denn eines ist sicher: Jeder Wandel bedeutet Reibung, Unsicherheit, Zweifel. Will die Stadt beispielsweise dafür sorgen, dass die Bereiche Gastronomie und Veranstaltungen in der Innenstadt insgesamt oder in einzelnen Bereichen ausgebaut werden können, um vor allem jüngere Menschen zu beglücken, dann wird das mit Sicherheit zu Nutzungskonflikten führen mit Menschen, die neben/über einem feier-intensiven Gastrobereich leben (und nachts schlafen wollen). Genauso wie Konflikte zwischen Handel und Gastronomie oder zwischen Denkmalschutz und Klimaschutz erwartbar sind in Zeiten, da sich Einzelne schon über den Kinderlärm benachbarter Schulhöfe oder über Kirchenglocken so sehr ärgern, dass sie zum Hörer greifen, um sich zu beschweren oder sich in den sozialen Medien darüber auslassen. Und dass es auch im Bereich Mobilität fortwährend Debatten und Streit gibt zwischen Autofahrern, Radfahrern und Fußgängern, zeigt allein schon das Beispiel Verkehrsraumneugestaltung der Bismarck- und Erlanger Straße, das in diesem Herbst wieder auf die Tagesordnung der städtischen Gremien kommen wird und sicherlich wieder für leidenschaftliche Debatten sorgen wird. Obwohl es am Ende nur darum geht, den Autofahrern in einem kleinen Bereich je eine Spur wegzunehmen, um diese den Radfahrern und Fußgängern zuzuschlagen, damit diese sicherer unterwegs sein können.

Achtung, das geht uns wirklich alle an…

Wer nun meint, dass die Zukunft der (Innen-)Stadt alleine Angelegenheit der Stadtverwaltung beziehungsweise des Stadtrats sei, denkt falsch. Natürlich hat der Stadtrat die Rahmenbedingungen zu setzen und natürlich wird die Verwaltung gefordert sein, den Interessensausgleich herzustellen und die entstehenden Konflikte zu moderieren, aber am Ende sind wir alle gefordert, die wir in Bayreuth leben, arbeiten oder auch nur vorübergehend aufhalten, um beispielsweise hier zu studieren, uns (neu) zu positionieren. Denn nicht allein die Regeln, die irgendein Gremium vorgibt, entscheiden über die Zukunft der Stadt, sondern die Art und Weise, wie wir Bürgerinnen und Bürger  umgehen. Das besagt, im übertragenen Sinne, auch dieses englische Sprichwort: „Die Menschen, nicht die Häuser, machen die Stadt.“ 

Wo es schwierig wird

Bei der Frage, wie man die Innenstadt der Zukunft idealerweise in Funktionsbereiche aufteilt, gibt es einfache Lösungen und schwierige. Niemand wird sich wohl ärgern über eine grüne Oase in seiner unmittelbaren Nachbarschaft. Und auch die Funktion des Marktes als zentralem Ort dürfte weitgehend unproblematisch sein. Die größten Konfliktpotenziale ergäben sich auf den ersten Blick vermutlich dann, wenn man bestimmte Bereiche als Raum für ausgedehnte Freizeit- und Kneipenkultur ausweisen würde. Andererseits spräche vieles dafür, beispielsweise das Gassenviertel hierfür zu nutzen. Womöglich mit der Folgewirkung, dass immer mehr junge Menschen dorthin ziehen, die sich in einer solchen Kulisse nicht gestört fühlen, sondern wohlfühlen. Könnte gut sein, dass Weichenstellungen wie diese eine Stadt auch nachhaltig verändern.

Kreative Konzepte sind gefragt

Ich bin sehr gespannt, wie „die Menschen“ reagieren werden, wenn es darum gehen sollte, dass in bestimmten Bereichen die Kneipen viel länger geöffnet bleiben sollten, dass sich womöglich (und hoffentlich) neue Clubs in der Innenstadt etablieren, dass Bayreuth insgesamt jünger, attraktiver, auch nachtaktiver werden will. Ich bin aber auch gespannt, wie kreativ wir alle damit umgehen, um zwangsläufig sich anbahnenden Konflikten die Schärfe zu nehmen. Ein kleines Beispiel, über das ich kürzlich bei der Recherche zu diesem Thema gestolpert bin, sind sogenannte Nachtmediatoren, die entweder von Städten oder von Kneipiers eingesetzt werden, um an bestimmten Hot Spots oder im Umfeld von Kneipen für Ruhe zu sorgen dann, wenn die Nachtruhe gilt. Weil viele junge Leute eben auf solche „Nachtagenten“ anders reagieren als auf eine Polizeistreife. Wir brauchen da auch nicht bei Null anzufangen, weil es bereits eine Reihe guter Ansätze und Erfahrungen aus (Groß-) Städten gibt, die wir uns zumindest mal genau anschauen sollten, ob sie ggf. übertragbar wären.

Halten wir uns doch an die Spielregeln

Gleichwohl ist es natürlich auch die Aufgabe der Feiernden selbst, sich an gültige Spielregeln wie die Einhaltung der Nachtruhe (22 bis 6 Uhr) zu halten. 2005 wurde zwar die flächendeckende Sperrstunde in Bayern abgeschafft, seitdem gibt es lediglich eine Putzstunde zwischen 5 und 6 Uhr. Aber die Einhaltung der Nachtruhe ist damit natürlich nicht außer Kraft gesetzt worden. Und wenn Kneipiers dagegen fortgesetzt verstoßen, dann bekommen sie richtig viel Ärger – nicht nur in Kleinstädten, sondern auch in Metropolen. Weshalb es auch im Interesse der Gastromomen ist, wenn Gäste spät nachts sich ruhig verhalten. Es steht im Übrigen jeder bayerischen Gemeinde nach dem Gaststättengesetz frei, im Stadtgebiet oder in Teilen davon wieder eine Sperrstunde einzuführen, wenn es nachts Lärm und Randale in den Straßen gibt. Davon machen auch eine Reihe von Städten und Kommunen Gebrauch. Wobei es dazu nicht kommen muss, wenn wir alle nicht nur an uns und unser Vergnügen, sondern auch an die Interessen der anderen denken.

Info: 

Auf der Internetseite der Stadt Bayreuth ist der Prozess zur Zukunft der Innenstadt ausführlich dokumentiert – hier geht’s lang: https://www.bayreuth.de/wirtschaft-forschung/wirtschaftsstandort/stadtteile/innenstadtprozess/#1690818267700-aaaa31ab-e717

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Zur Person
Gert Dieter Meier ist seit rund 40 Jahren Journalist ­- und vor allem in den Bereichen Kommunalpolitik und Kultur unterwegs. Seit 2020 gehört er als Unabhängiger dem Bayreuther Stadtrat an. Für bayreuth4U beleuchtet Meier in seiner monatlichen Online-Kolumne „Stadtparkett“ das Geschehen in Bayreuth.
 

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