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Der letzte Torero: Helge Schneider im Interview

Hausbesuch bei Helge Schneider in Mülheim. Draußen schnattern Enten, drinnen serviert der Musikclown lecker Essen, umgeben von Trommeln und Trompeten. Hier hat er auch sein neuestes Album „Torero“ aufgenommen. Es bietet genialische Albernheiten, Gesellschaftskritik und Ausflüge in den Dadaismus, gepaart mit ganz viel Jazz-Musik. Am 14. Juli ist Schneider auf der Plassenburg Kulmbach zu Gast, Olaf Neumann hat für bayreuth4U vorab mit ihm gesprochen. 

bayreuth4U: Auf dem Cover von „Torero“ sieht man Sie in Stierkämpfermontur. Haben Sie die Lieder auf Ihrer Finca in Andalusien geschrieben?

Helge Schneider: Nee, auf meiner Finca in Mülheim. Ich habe in einem Fachgeschäft das Torerokostüm gekauft und dann fiel mir das alles so ein. Der Verkäufer meinte, nachdem ich ihm ein Foto geschickt hatte: „Der letzte Torero“. Das sieht aber auch aus! Ich musste mich ganz dünn machen, damit ich da überhaupt reinpasse. 

bayreuth4U: Welche Vorstellung von Unterhaltungskunst haben Sie?

Schneider: Ich komme aus einer Zeit, in der man sich viel Mühe im Detail in der Könnerschaft seiner Kunst gegeben hat. Heute ist sehr viel Show und Ausstattung. Eine Bühnenshow ist heutzutage ein Feuerwerk im wahrsten Sinne des Wortes. Das Innere der Musik ist eher sekundär. Und ich bin da eben noch von der alten Schule. Meine Dinger heißen ja auch Show, „The Big L.A. Show“. Aber das ist eigentlich, was ich überhaupt nicht brauche. Das wäre dann ja auch noch viel teurer. Ich gebe mir sowieso schon viel Mühe und viel Geld aus für tolle Instrumente, aber wenn ich jetzt noch eine Bühne mit Pyrotechnik, Laserlights, mehreren Ebenen, vier Leinwänden für Rückprojektionen etc.haben müsste, damit ich in Stadien spielen kann  – nein, das bin ich nicht, und ich bin dabei gut gefahren. Ich bin Handwerker der alten Schule mit einem kleinen Betrieb. Ich expandiere nicht.

bayreuth4U: Ihr aktuelles Bühnenprogramm heißt „Der letzte Torero – Big L.A. Show“. Sind Sie auch ein bisschen vom amerikanischen Entertainment beeinflusst?

Schneider: Beeinflusst bin ich von allem Möglichem. „Big L.A. Show“ habe ich damals auf das vordere Fell meines Schlagzeugs geschrieben. Das fand ich irgendwie gut. Okay, meine Trompete ist in Los Angeles gebaut worden, das Saxofon in Paris und das Klavier in Hamburg. Man ist schon polyglott, aber was Shows angeht: Los Angeles, Las Vegas, Hollywood, das ist doch was. 

bayreuth4U: Haben Sie sich dort schon einmal umgeguckt?

Schneider: In Amerika? Nee. Aber ich kenne Menschen, die da leben und ab und zu hierhin kommen, um mit mir auf Tour zu gehen. Jimmy Woode und Ira Coleman zum Beispiel. Ira hat aber jetzt in Kanada eine Professur angenommen als Kontrabasslehrer. Es ist irgendwie nachzuvollziehen, dass es gut ist, wenn man als Jazzmusiker weiß, was man im nächsten Monat verdient. 

bayreuth4U: Den Bassisten Ira Coleman teilten Sie sich mit Sting.

Schneider: Ja, manchmal. In manchen Jahren musste Ira nicht nur mit mir, sondern auch mit Sting auftreten. Aber Sting spielt ja selber Bass, und ich auch, also war das kein Problem.

bayreuth4U: Auf dem Album spielen Sie bis auf die Gitarre alle Instrumente selbst.

Schneider: Die Gitarre wird von Sandro Giampietro gespielt. Im Sommer 2022 sind wir zu zweit unterwegs gewesen. Bei einem Duo ist die Freiheit sehr groß. Sandro spielt akustische Gitarre, so Flamenco-Fusion-Jazz-Blues-Rock, und auch Wandergitarre. Wie am Lagerfeuer – und dazu singe ich und spiele anschließend alle möglichen Instrumente dazu. So haben wir das jetzt auch aufgenommen, ein Riesenspaß. Und Kim Merz von der Krautrock-Band Wallenstein hat manchmal die Backgroundstimme gesungen. Eine Platte darf ruhig ein bisschen anders sein als ein Live-Auftritt, aber sie sollte schon schön sein. Ich bin nicht der Typ, der eine Platte auf der Bühne genau reproduziert. Ich bin Jazzer, ich will improvisieren. Ich will mich selber überraschen.

bayreuth4U: Wollte Ihr jüngster Sohn Charlie the Flash diesmal nicht mitspielen?

Schneider: Charlie geht noch zur Schule, er ist ja erst 12. Voriges Jahr habe ich Auftrittsgenehmigungen für ihn besorgt, was in Deutschland ganz wichtig ist. Aber dann ist er doch nicht immer mitgekommen. Es war ganz abenteuerlich, weil man nie wusste, ob er jetzt mitspielt oder nicht. Letztendlich wollte ich ihm diese Freiheit aber lassen und brauchte dann auch keinen anderen Schlagzeuger. Wenn Charly dabei ist, ist es einfach gut. Er ist ein Drummer, der 100 Prozent zuhört und mit dem man wirklich gut korrespondieren kann. Ich denke, ich werde mit ihm demnächst eine Jazzplatte machen. Jetzt haben wir einen Perkussionisten dabei, wenn Charlie doch mal wieder mitspielt. Der Platz am Schlagzeug ist immer frei für ihn. 

bayreuth4U: Sie singen in dem Album „Torero“, dass Sie sich demnächst ein Tattoo stechen lassen wollen. Viele Künstler:innen haben ja ihre Liebe zur Musik auf der Haut festgehalten. An welches Motiv denken Sie?

Schneider: An gar keins. Das ist nur ein Liedtext. Darin will ein Typ seiner Freundin imponieren und lässt sich ihren Namen auf den Sack tätowieren. Aber leider sieht das dann ja keiner. Ich habe Fans in Neuseeland, die sind nach Tradition tätowiert. Das sieht ganz toll aus, ist aber nicht zu vergleichen mit einer Prêt-à-porter-Tätowierung wie ein Arschgeweih oder ein Röschen auf der Schulter. Manche Leute haben sich schon Zeichnungen von mir auf den Arm stechen lassen, hab ich gesehen. Ich persönlich lasse mich jetzt nicht mehr tätowieren, mit 67. Das wäre ja so, als würde ich mir eine an der Seite geschnürte Lederhose und eine Harley Davidson kaufen und plötzlich Rocker sein.  

bayreuth4U: Sie singen auch ein Loblied auf das Essen, auf Kuchen, Gebäck und alles aus dem Garten. Sind Sie ein Genussmensch?

Schneider: Ja schon. Ich esse gern leckeres Essen. Aber ich bin kein Feinschmecker. Manchmal genehmige ich mir mit Bärchen, einem von unseren Jungs, leckeres Essen. Zum Beispiel freuen wir uns schon Wochen vorher darauf, in München eine halbe Hausente mit Semmelknödel und Rotkohl mit Pflaumen zu verspeisen. Und danach einen Kaiserschmarrn mit Apfelmus. Und zu guter Letzt einen Gebirgsenzian. 

bayreuth4U: Hängt die Qualität eines Auftritts auch von der Qualität des Caterings ab?

Schneider: Überhaupt nicht. Improvisierte Konzerte, wo man nach 1000 Kilometern Fahrt in letzter Sekunde anreist und es noch nicht mal etwas zu Essen gibt, sind plötzlich ganz toll, weil es nicht geradeaus geht. 

bayreuth4U: Sie singen: „Ich bin der Picadero, bis der Vorhang fällt“. Wollen Sie so lange weitermachen, bis der liebe Gott sagt: „Jetzt ist Schluss!“?

Schneider: Klar. Ich kann mir nichts anderes vorstellen.

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