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Alternative Lebenswege

Aufgewachsen im oberfränkischen  Helmbrechts, bereist der 26-jährige  Yannick mittlerweile die Welt. Ob per Anhalter durch Zentralamerika oder mit dem Motorrad  von Kolumbien bis nach Peru. Währendessen arbeitet er remote für ein  IT-Start-up in  Hamburg. Im Interview mit bayreuth4U spricht er über die Chancen und  Herausforderungen von Reisen und remoter Arbeit.

Was machst du beruflich und wie bist du zu deinem Remote Job gekommen?

Ich arbeite im Online-Marketing. Vor ein paar Jahren, als ich in Madrid lebte und arbeitete, suchte ich nach einer neuen beruflichen Herausforderung. Glücklicherweise fand ich eine Position bei einem IT-Startup aus Hamburg, das nach einem Marketing Manager suchte, der vollständig remote arbeiten würde. Das passte perfekt zu meinen Wünschen, da ich weiterhin in Madrid leben wollte und mein neuer Arbeitgeber damit kein Problem hatte. Anfang 2023 habe ich dann meine wöchentlichen Arbeitsstunden erheblich reduziert, um mehr Raum für meine Reisen zu schaffen.

Wo (und wie) warst du im letzten Jahr unterwegs und was war die Motivation für deine Reise?

Seit vielen Jahren hegte ich die Vision, Lateinamerika vollständig zu bereisen – angefangen von Mexiko im Norden über Zentralamerika bis hinunter durch Südamerika, bis zur südlichsten Stadt der Welt: Ushuaia in Argentinien. Während vergangener Rucksackreisen hatte ich bereits erfahren, wie ich mich durch den Einfluss verschiedenster Kulturen, Begegnungen mit Menschen unterwegs und vor allem durch die Selbstständigkeit persönlich weiterentwickeln konnte. Die verschiedenen Blickwinkel helfen mir unwahrscheinlich dabei, meinen Lebensweg zu gestalten.

Meine neunmonatige Reise begann auf der Yucatan-Halbinsel in Mexiko. Von dort aus durchquerte ich das Landesinnere und erreichte Guatemala. In Zentralamerika und Mexiko nutzte ich hauptsächlich Busse, Tuktuks und Anhalter. Von Guatemala aus setzte ich meine Reise fort nach Honduras, dann nach El Salvador, Nicaragua und Costa Rica. Von dort aus flog ich nach Kolumbien, wo ich zwei Monate lang auf einer Permakultur-Farm (Plan B) lebte und half, ihre holistischen Workshops zu vermarkten. Hier begann ein neues Kapitel meiner Reise, denn ich kaufte mir ein Motorrad, um weiter gen Süden zu reisen. Zuerst durch ganz Kolumbien, dann nach Ecuador und schließlich bis in den Süden von Peru. Mein Motorrad wartet nun dort auf mich, da ich meine Reise momentan aus persönlichen Gründen für einige Monate unterbreche.

Über jedes der bereisten Länder könnte ich ein Buch schreiben, und vor allem die Motorradreise hätte unzählige Anekdoten zu erzählen. Das würde jedoch hier den Rahmen sprengen.

Was waren die größten Highlights deiner Reise? Gab es irgendeinen Moment/Situation, die sich besonders bei dir eingebrannt hat?

Eines Nachts in Guatemala wurde ich durch wackelnden Boden und lautem Gegrummel aus der Ferne geweckt. Als ich meine Zelttür am Base Camp des Acatenango Vulkans öffnete, konnte ich auf den lava-spuckenden Fuego Vulkan, unweit von uns blicken, den wir am Vortag noch erklommen hatten. Dieses Erlebnis war definitiv ein Highlight, da ich Naturgewalten noch nie so hautnah erlebt hatte. Der Ausbruch sollte der größte seit Jahren werden; Dörfer wurden evakuiert, und die vulkanische Wolke war hunderte Kilometer weit zu sehen. Glücklicherweise wehte der Wind nicht in unsere Richtung. Meine Reisehighlights drehen sich jedoch meist um Begegnungen mit Menschen. Das Erlebnis beim Vulkanausbruch war besonders schön, da ich es mit einem Freund aus der Heimat und einer Reisefreundin teilen durfte.

Eines Nachts in Guatemala wurde ich durch wackelnden Boden und lautem Gegrummel aus der Ferne geweckt. Als ich meine Zelttür am Base Camp des Acatenango Vulkans öffnete, konnte ich auf den lava-spuckenden Fuego Vulkan, unweit von uns blicken, den wir am Vortag noch erklommen hatten. Dieses Erlebnis war definitiv ein Highlight, da ich Naturgewalten noch nie so hautnah erlebt hatte. Der Ausbruch sollte der größte seit Jahren werden; Dörfer wurden evakuiert, und die vulkanische Wolke war hunderte Kilometer weit zu sehen. Glücklicherweise wehte der Wind nicht in unsere Richtung. Meine Reisehighlights drehen sich jedoch meist um Begegnungen mit Menschen. Das Erlebnis beim Vulkanausbruch war besonders schön, da ich es mit einem Freund aus der Heimat und einer Reisefreundin teilen durfte.

Auch frustrierende Situationen können Initiator für Highlights werden. In Peru, bei der Überquerung eines Andenpasses, stellte ich plötzlich fest, dass ich einen Platten hatte und kein Werkzeug, um ihn zu flicken. Mit geringster Geschwindigkeit rollte ich ins nächste Bergdorf, in der Hoffnung, einen Mechaniker zu finden. Zum Glück konnte ich eine Art Werkstatt ausfindig machen, doch es sollte noch schlimmer kommen: Zusammen mit dem Mechaniker musste ich feststellen, dass unzählige Speichen meines Hinterrads kreuz und quer zerbrochen im Rad hingen. Wie sollte ich hier wieder wegkommen? Neue Speichen gab es weit und breit nicht. Der Monteur, ein Teenager, grinste mich nur an und sagte: “Das schaffen wir schon irgendwie.” Wenig später saßen wir zusammen im erdigen Boden der Outdoor-Werkstatt, umringt von herumliegendem Werkzeug und entwickelten gemeinsam eine Technik, um die Speichen zu reparieren. Währenddessen hatten wir die Gelegenheit, uns über Gott und die Welt auszutauschen. Bald darauf konnte ich weiterfahren und erkannte, wie sich eine scheinbar katastrophale Situation in eine der schönsten Begegnungen verwandeln kann. Solche Erfahrungen lehren mir ein tiefes Vertrauen darin, dass sich alles fügt, wenn man unerwartete Situationen mit Liebe annimmt und das Beste daraus macht.

Wie schaffst du es, eine klare Trennlinie zwischen Arbeit und persönliches Leben zu ziehen, wenn dein Büro gleichzeitig dein Zuhause ist?

Für mich existiert keine klare Trennlinie; sie ist eher verschwommen. Dies hängt sicherlich damit zusammen, dass ich Arbeit eher als Teil des Lebens betrachte und nicht als etwas Separates. Dadurch vermischen sich oft private und geschäftliche Aufgaben. Dabei ist es nur wichtig, sich voll und ganz auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, die Tätigkeit abzuschließen und dann zur nächsten überzugehen. Dann kann es beispielsweise vorkommen, dass ich einen Artikel schreibe, danach eine Stunde Yoga mache und im Anschluss Social-Media-Inhalte erstelle. Nur wenn man ständig mit dem Kopf bei anderen Dingen ist, treten Probleme auf.

Wie funktioniert die Kommunikation im Team, in Anbetracht der räumlichen Distanz und der Zeitverschiebung?

Wir treffen uns einmal wöchentlich für eine halbe Stunde online. Das Meeting ist so angesetzt, dass es trotz Zeitverschiebung für alle zu einer angenehmen Zeit stattfindet. Hier besprechen wir die Fortschritte der letzten Woche und helfen uns gegenseitig, wenn wir nicht vorankommen. Die restliche Arbeitswoche kann ich mir so einteilen, wie ich möchte. Bedarf es weitere Absprachen, klappt das meist per kurzer E-Mail-Kommunikation. 

Welche Veränderungen oder Entwicklungen siehst du für die Zukunft der Remote-Arbeit, insbesondere im Hinblick auf Technologie und Unternehmenskultur?

Was Technologien betrifft, glaube ich, dass bereits alles verfügbar ist, was für eine gute Zusammenarbeit benötigt wird. Viel wichtiger sind die Menschen hinter der Technologie und wie sie diese bestmöglich nutzen. Somit denke ich, dass sich eher Unternehmenskulturen weiterentwickeln müssen: Weg von Kontrolle, hin zu Vertrauen. Arbeitgeber sollten ihren Arbeitnehmern die nötigen Freiräume zur persönlichen Entfaltung geben. Arbeitnehmer sind in der Pflicht, diese Freiräume individuell zu nutzen, um die vereinbarten Ziele zu erreichen.

Was denkst du, wie sieht deine Zukunft aus? Willst du weiter reisen oder hast du es langsam satt nie richtig zuhause anzukommen?

Ich habe die Vision, langfristig irgendwo anzukommen und mir dort etwas aufzubauen. Den idealen Ort habe ich jedoch noch nicht gefunden, was sicherlich auch daran liegt, dass ich noch dabei bin, meine Berufung zu entdecken. Denn ich sehe mich nicht für mein restliches Leben im Marketing. Auf der Suche danach, und sicherlich mein ganzes Leben lang, wird Reisen immer eine große Rolle spielen. In den kommenden Monaten würde ich gerne meine Motorradreise in Südamerika fortsetzen, weiterhin remote arbeiten und verstärkt nach alternativen Lebenswegen Ausschau halten.

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