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Leben ist Musik

Uriah Heep im interview

Nach über 40 Millionen verkauften Alben und Tourneen durch 62 Länder sind sie immer noch on the road: Uriah Heep. Dieses Jahr feiern die Londoner ihr 55. Bandjubiläum. Am 17. Juli ist die Band um Gitarrist Mick Box (74) und Sänger Bernie Shaw (66) live auf der Kulmbacher Plassenburg zu erleben. Olaf Neumann sprach mit Bandgründer Box über das Leben auf Tour, die wilden 70er und das neue Album „Chaos & Colour“. 

bayreuth4U: Mister Box, im vergangenen Jahr haben Sie eine Tour zum 50. Plattenjubiläum von Uriah Heep gespielt. Ist das Herumreisen für Sie heute noch genauso aufregend wie in den wilden 1970er-Jahren?

Mick Box: Nein, es hat sich seitdem viel verändert. Covid hat uns das Leben schwer gemacht. Und natürlich tut der Brexit uns als Engländern keinen Gefallen. Davor konnten wir uns in ganz Europa frei bewegen. Jetzt ist es viel schwieriger. Die Kosten sind überall in die Höhe geschnellt. Wir versuchen aber weiterhin, Geld zu verdienen und zu überleben. Man kann heutzutage zum Flughafen fahren und in Sekundenschnelle wird dein Flug gestrichen. Es gibt zudem viele Dramen, die sich in der Welt abspielen. Trotzdem haben wir anlässlich unseres 50-jährigen Jubiläums, bei dem wir jeden Abend eine dreistündige Show spielten, 36 Konzerte in 17 Ländern gegeben.

bayreuth4U: Mit Uriah Heep haben Sie seit 1972 25 Studioalben veröffentlicht. Was ist heute anders, wenn Sie eine neue Platte aufnehmen?

Box: Nichts. Wir gehen immer noch ins Studio und nehmen dort als Band auf. Wir machen es also noch genauso wie damals, 1970. Und ich glaube, das ist der Punkt, weshalb man beim Hören eine Gänsehaut bekommt – wenn wir mit der ganzen Band zusammen Magie erschaffen. Wenn man sich gegenseitig nur Dateien schickt, klingt das Resultat sehr separat, wenn man so will. Wir verwenden keine Click-Tracks, wir spielen einfach. 

bayreuth4U:  Das neueste Werk heißt „Chaos & Colour“. Beziehen Sie Chaos auf die Zeiten, in denen wir gerade leben?

Box: Ich habe dem Album diesen Titel gegeben, weil es in chaotischen Zeiten geschrieben wurde. Im Lockdown. Die einzige Farbe in meinem Leben und im Leben anderer Menschen war zu der Zeit die Musik. Sie hat uns alle durchgebracht. Die Menschen hatten Zeit, ihre Schallplattensammlung wieder zu durchstöbern und sich mit ihr zu verbinden. Wenn man gezwungen ist, drinnen zu bleiben, ist Musik das Medium, das einem hilft.

bayreuth4U: „Chaos & Colour“ lässt den progressiven Uriah-Heep-Sound der 70er wieder aufleben. War das für Sie die künstlerisch ergiebigste Zeit?

Box: Die 1970er Jahre waren eine sehr kreative Zeit. Das einzige reguläre Interesse im Leben der Menschen neben der Arbeit waren Fußball, Musik und Mode. Heutezutage können sie all das auf ihrem iPhone abrufen. Die Abwechslung ist heute immens. Damals bedeutete Musik viel mehr im Leben der Menschen. Wenn man in den 1970er Jahren einen Vertrag unterzeichnete, galt der für sechs oder sieben Alben. Du bist mit dem Label gewachsen, und das Label ist mit dir gewachsen. Und es gab niemanden, der sagte, du musst so und so aussehen oder sein. Du durftest als Künstler noch deinen eigenen Weg einschlagen. Das war sehr gesund und der Grund, warum in den 1970er Jahren so viel großartige Musik herauskam, die den Lauf der Zeit überstanden hat. 

bayreuth4U: Heutezutage können intelligente Computerprogramme wie ChatGPT Songs schreiben. Was halten Sie von solchen Entwicklungen?

Box:  Diese Medien sind herzlose und seelenlose Maschinen. Ich glaube, darum geht es in der Musik überhaupt nicht. Wir tun einfach, was wir tun, und wir tun es ganz natürlich. Wir setzen uns nicht hin und schreiben von neun bis fünf. Sondern wir tun es, wenn uns das Gefühl überkommt.

bayreuth4U: Verraten Sie uns etwas über Ihre besondere Harmoniearbeit?

Box: Das war schon immer ein großer Teil von Uriah Heep, einer Band mit fünf Sängern. Eine sehr lustige Aussage eines amerikanischen DJs war: „Die Beach Boys des Heavy Metal“. In den Sechzigerjahren war Harmoniearbeit nichts anderes als das Singen eines süßen Refrains oder von ein paar As und Os. Und dann haben wir den Harmoniegesang für uns entdeckt und Songs wie „Gypsy“ gemacht. Wir setzten das fast wie ein eigenes Instrument ein. 

bayreuth4U: Auch mit den Auftritten in der Sowjetunion betraten Uriah Heep Neuland: Sie waren im Dezember 1987 die erste westliche Rockband, die dort offiziell spielen durfte. Denken Sie, dass Sie Ihre russischen Fans eines Tages wiedersehen werden?

Box:  Im Moment geht das natürlich nicht. Das Land befindet sich im Krieg, und das Letzte, was wir tun werden, ist ein Uriah-Heep-Konzert in Russland zu geben. Gleiches gilt für die Ukraine. Es ist im Moment einfach nicht möglich. Aber ein paar Fans von dort schreiben uns noch via Facebook.

bayreuth4U: Und wie haben Sie Ihre Konzerte in der DDR in Erinnerung?

Box: Es war phantastisch und verdammt anstrengend, dorthin zu gelangen. Aber wenn man erst einmal drüben war und die Freude in den Gesichtern der Menschen sah, war es unermesslich. Es war es wert. Wir waren eine Band mit einem Mantra: Wenn die Leute nicht zur Musik kommen können, bringen wir die Musik zu ihnen. Wir waren die erste westliche Band, die in der Tschechoslowakei, in Bulgarien, in Ungarn, in all diesen Territorien gespielt hat. Jetzt sind wir fast ein Teil ihrer musikalischen Folklore.

bayreuth4U: Warum wollten Sie unbedingt dort spielen?

Box: Weil wir unsere Musik an so vielen Orten wie möglich präsentieren wollten. Viele Bands gingen auf Nummer sicher und spielten nur auf dem europäischen Festland, in Amerika und Kanada. Wir wollten es jedoch weiter bringen.

bayreuth4U: Waren Sie in der DDR im Visier der Stasi?

Box: Zu 100 Prozent. Manchmal observierten jeden Einzelnen von uns drei Sicherheitsleute. Selbst auf der Toilette. Ich bin sicher, sie haben ganze Bücher über uns geschrieben.

bayreuth4U: Wie hat der Rock‘n‘Roll Sie geprägt?

Box: Es ist ein Lebensstil. Er gab mir die Möglichkeit, mit Uriah Heep Songs zu schreiben. Ich versuche aber nicht, über alles nachzudenken. Die Musik war gut zu mir und ich war gut zur Musik. Das hält lange an. Leben ist Musik und Musik ist Leben. 

bayreuth4U: Ist Rockmusik heutzutage noch Ausdruck von Rebellion?

Box: Vielleicht nicht so sehr von Rebellion, aber sie bringt die Menschen an imaginäre Orte, die sie sonst nirgendwo erreichen würden. Wenn man ein Album auflegt, kann man sich darin eine Stunde lang verlieren. Es ist fast therapeutisch.

bayreuth4U: Was bedeutet es, seinen Traum zu leben?

Box: Für mich bedeutet es alles. Ich war fast mein ganzes Leben lang bei Uriah Heep. Darüber kann ich mich nicht beschweren. Es war ein höllischer Ritt. Ich bin froh, dass ich noch hier bin und weitermachen kann.

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